Meinung | DER INSELDUDEN
Wie gewonnen, so zerronnen
Eine Kolumne von Jan Lammers
Der Inselduden
Deutsche Theorie und mallorquinische Praxis
Portal, Hauseingang
Das Existenzminimum eines mallorquinischen Tagelöhners war in früheren Jahrhunderten gemäß der folgenden Formel knapp bemessen: „Der Lohn kommt zum Portal herein und zieht durch den Kamin wieder ab“ (Es jornal entra pes portal i surt pes fumeral). Bei Herrenhäusern ließ sich an repräsentativ gestalteten Eingangshallen der gesellschaftliche sowie finanzielle Rang ablesen, bei „Otto Normalverbraucher“ spielte dies hingegen keine Rolle, wie ein altirischer Segenswunsch zum Besten gibt: „Denke nicht darüber nach, ob du durch ein erleuchtetes Portal oder durch eine schmale Tür den Himmel betrittst. Hauptsache, du bist willkommen.“
Ein trockener Ratschlag gibt zur Wahrung der Privatsphäre zu bedenken, sich den Mitmenschen gegenüber freundlich zu verhalten, dabei jedoch stets eine gewisse Distanz zu wahren: „Mit den Nachbarn eine tiefgehende Freundschaft, aber die Haustür verschlossen“ (Amb sos veïnat, bona amistat i es portal tancat). Das gesellschaftliche Leben spielte sich ohnehin größtenteils auf der Straße ab.
Typische Anfängerfehler unterlaufen vor allem aus dem einfachen Grund der Unwissenheit: „Wer es nicht gewöhnt ist, zur Messe zu gehen, der fällt vor dem Eingang auf die Knie“ (Qui no està acostumat a anar a missa, en es portal s’agenolla). Die mit dem Verlauf der Jahre erworbene Erfahrung rät zu Geduld, denn das viel zitierte Blatt kann sich wenden und eine mehr als unangenehme Situation in das Gegenteil verändern: „Das Gute und das Schlechte stehen nicht immer vor demselben Hauseingang“ (Es bé i es mal no estan sempre girats al mateix portal) – Glück ist eben wechselhaft.
Vom deutschen Musiker und Schriftsteller Ernst Woldemar Sacks stammt der ebenso originelle wie eigenwillige Vergleich, dass „die Liebe einem Kino gleicht, dessen großes Portal allen ohne Eintrittsgeld offen steht“.
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